Mit viel Applaus wird Prof. Dr. Aymo Brunetti von seinem Publikum empfangen, nachdem SVG-Präsident, Dr. Edouard H. Viollier, den eindrücklichen Lebenslauf des heutigen Referenten vorgestellt hat.
Aymo Brunetti ist nicht nur Harvard Absolvent und ehemaliger Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), sondern auch ein angesehener Professor an der Universität Bern und Autor zahlreicher Lehrbücher für die Gymnasialstufe. In den Reihen der bis zum letzten Platzt gefüllten Aula des Kollegienhauses der Universität Basel ist deswegen – neben Regierungsräten und Professoren – auch so manch ein interessierter Gymnasiast zu finden.
Gleich zu Beginn stellt Prof. Brunetti klar, dass sein heutiges Referat die Titelfrage nicht eindeutig beantwor-ten wird, sondern viel mehr aufzeigen soll, welche Faktoren für den ökonomischen Erfolgskurs der Schweiz verantwortlich sind und welche Herausforderungen sich für die Zukunft stellen.
Wie erfolgreich die Schweiz im internationalen Vergleich abschneidet, demonstriert Brunetti an zwei Grafiken, welche den Verlauf des BIP und der Arbeitslosenquote der vergangenen sieben Jahre mehrerer führender Wirtschaftsnationen darstellt. Fest steht, dass kein anderes Land die Finanz- und Wirtschaftskrise so gut gemeistert hat wie die Schweiz. Auf beiden Grafiken wird ersichtlich, wie sich in den USA nur langsam eine Erholung anzeigt und dass sich die Eurozone ohne ihren Wirtschaftsmotor Deutschland noch immer unter dem Niveau von 2008 vor der Krise befindet.
Zu behaupten, die Krise sei überwunden, erachtet Brunetti als grob fahrlässig. Im Gegensatz zur Weltwirt-schaftskrise von 1929 wurden zwar zahlreiche politökonomische Massnahmen zur Bekämpfung der Krise eingeleitet, welche durchaus auch Erfolg zeigen, jedoch bringen diese Massnahmen wiederum viele neue Aufgaben wie Staatsdefizite oder Inflationsgefahr mit sich. Der Professor zeigt, dass die Schweiz mit der Rettung der UBS oder der Festlegung des Mindestkurses für den Euro ebenfalls erfolgreich Massnahmen zur Bekämpfung der Krise ergriffen hat.
Am Beispiel der Schuldenkrise in der Eurozone zeigt Brunetti, dass die Schweiz in der globalisierten Welt oft nur als Beobachter agieren kann. Als Exportnation wäre sie jedoch von einer Verschärfung der Schuldenkrise unmittelbar betroffen, kann jedoch nur beschränkt Einfluss nehmen, oder Massnahmen gegenüber den Problemen in anderen Staaten ergreifen.
Was sind also nun die Hintergründe der guten Performance der Schweiz?
Prof. Brunetti nennt fünf wichtige Voraussetzungen, welche eine Volkswirtschaft auf Erfolgskurs halten:
– Stabile Rahmenbedingungen; ein funktionierendes Justizsystem und ein demokratischer politischer Konsens
– Einen flexiblen Arbeitsmarkt
– Eine stabile Währung
– Eine funktionierende Infrastruktur
– Und eine aussenwirtschaftliche Vernetzung mit anderen Staaten
Brunetti betont, dass diese fünf Voraussetzungen keine statischen Grundpfeiler sind, sondern sich als Errungenschaften eines laufenden Prozesses entwickelt haben, welche immer wieder über die Jahre durch Reformen und Innovationen erneuert und angepasst werden müssen. Als Beispiele nennt er hierzu die Einführung der Schuldenbremse als gelungene Innovation und die ausstehende Sanierung der AHV als künftige Herausforderungen. Die wichtigste Voraussetzung letztendlich sind dynamische Unternehmen und Arbeitskräfte, die diese Errungenschaften zu nutzen wissen.
Gerade weil die Schweiz im internationalen Vergleich so gut durch die Krise gekommen ist und kaum in ei-nem Land so viele wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wirtschaftswachstum erfüllt sind, mahnt Brunetti vor einem wachsenden Gefühl der Unverwundbarkeit in unserem Land.
Während andere Länder mit dem Problem der Wachstums-Stimulation kämpfen, ist in der Schweiz eine fast schon überhebliche Wachstumskritik spürbar. Wirtschaftspolitische Eigentore und das Verpassen wichtiger zukunftsweisender Reformen erachtet Prof. Brunetti als die unmittelbarsten Gefahren für den Erfolgskurs der Schweizer Wirtschaft.
Diese sind im Gegensatz zur Eurokrise sogenannte endogene Herausforderungen, welche die Schweiz als Gesellschaft selber meistern muss.
In seinem Vortrag beweist Professor Brunetti sein rhetorisches Talent und lässt sich auch von kurzen technischen Problemen nicht aus dem Konzept bringen. Brunetti bietet interessante Einblicke in die äusserst komplexe aktuelle Lage der Weltwirtschaft. Seine Einschätzung für den künftigen Kurs der Schweizer Wirtschaft zeichnet ein insgesamt positives Bild, welches jedoch mit einigen Herausforderungen verbunden ist.
Auch in der anschliessenden Fragerunde geht der Professor souverän und respektvoll auf die Fragen seines Publikums ein und rundet somit seinen hoch interessanten Vortrag gebührend ab.
Verfasser: Nathanael Berger (RealWWZ, 04.11.2014)