Mit viel Applaus wird Herr Günther H. Oettinger, der Referent des heutigen Abends, in der vollbesetzten Aula des Kollegiengebäudes der Universität Basel begrüsst. SVG-Präsident Edouard Viollier stellt dem gespannten Publikum den direkt vom Flughafen kommenden EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft und ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg kurz vor, bevor dieser mit seinen Vortrag zum Thema ‘Digitale Wirtschaft und Gesellschaft – Herausforderungen und Chancen für Europa‘ beginnt.
Günther H. Oettinger bedankt sich als erstes für die Einladung und betont seine Verbundenheit zur Stadt Basel und die Bedeutung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern nördlich und südlich des Rheins. Dass der CDU-Politiker ein begabter Redner ist, merken seine Zuhörer sofort. Seine zügige aber trotzdem klare und flüssige Sprechweise, angehaucht von einer charakteristischen schwäbischen Tönung, macht es dem Publikum angenehm, seinem Vortrag zu folgen.
Von Beginn an tritt der direkt aus Brüssel angereiste EU-Kommissar als ein überzeugter Botschafter der Europäischen Union auf: Einleitend ermahnt Herr Oettinger an die aktuelle von Unsicherheit geprägte Lage in Europa. Konfliktherde wie die Ukraine, Terrorgefahr oder die Eurokrise bedürfen einer gemeinsamen, international koordinierten Strategie. In einer globalisierten Welt können einzelne Staaten oder Bundesländer, wie die Schweiz, Baden-Württemberg oder das Elsass, die nur einen Bruchteil der Weltbevölkerung ausmachen, nur einen marginalen Einfluss auf globale Entscheidungen haben. Es sei deshalb notwendig, dass die europäischen Staaten im Rahmen der Europäischen Union geeint und mit einer gemeinsamen Strategie globale Probleme, wie den Klimawandel und auch Konflikte, wie die aktuelle Krise mit Russland, angehen. Eine seiner Kernaussagen lautet: „Wir brauchen einen friedlichen Kontinent, der sich einmischt.“
Nur vereint könne Europa diese Herausforderungen meistern und wirtschaftlich mit den USA und den aufstrebenden Nationen aus Asien mithalten. Vor allem der technologische Wandel, die sogenannte “Digitale Revolution“ fordere eine gemeinsame Strategie. Als Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft mahnt Oettinger, dass Europa anderen entwickelten Ländern, wie den USA, Japan, China und Korea, in Sachen Digitalisierung hinterherhinke und auf keinen Fall den Anschluss verlieren dürfe.
Egal ob im Banking, im Handel oder in der Medizin bietet die Digitalisierung enormes Innovationspotential, welches entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg und das Wachstum in der Zukunft sein wird. Gerade weil dieser technologische Wandel sich so schnell vollzogen hat, biete sich noch viel Aufholpotential für die europäischen Staaten an: „Der Zug ist noch nicht abgefahren.“
Umso wichtiger seien jetzt entsprechende Investitionen in die Ausbildung und in die digitale Infrastruktur sowie ein gemeinsames Angehen der damit verbundenen Probleme. Hierzu nennt Herr Oettinger besonders den Datenschutz und die Datensicherheit, welche wiederum nur gemeinsam mit einer geeinten europäischen Strategie bewältigt werden können. Grosskonzerne wie Google würden ein einheitliches Datenschutzabkommen viel eher respektieren, als 28 einzelne Datenschutzgesetze.
Somit schliesst Günther Oettinger seinen Vortrag zu einem sehr spannenden und für die Zukunft sehr bedeutenden Thema. Geschickt gelang es ihm dabei, seine politischen Ansichten von einem geeinten Europa einfliessen zu lassen, was ihm sein Schweizer Publikum jedoch keineswegs nachträgt.
Auch in der anschliessenden Fragerunde, beweist Herr Oettinger sein rhetorisches Talent und geht kompetent und respektvoll auf die Fragen der Zuhörer ein und rundet seinen Vortrag somit gebührend ab.
Verfasser: Nathanael Berger (RealWWZ, 19.01.2015)