In der überaus gut besetzten Aula der Universität Basel werden die letzten freien Plätze zugewiesen, als sich Dr. Markus Metz im Namen der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Basel bei den zahlreich erschienenen Gästen bedankt und die ausgesprochen imposante Vita von Prof. Dr. Peter A. Gloor vorstellt, der derzeit am MIT über Schwarmintelligenz und kollaborative Innovationsnetzwerke forscht.
Verrückte Zeiten gibt es seit es Menschen gibt. Um die Ursache solcher Phänomene ergründen zu können, muss man die gestaltenden Schwärme sowie deren kreative Innovatoren verstehen. Prof. Dr. Gloor präsentiert seinen Forschungsansatz mittels eines Schichtenmodells, das zwischenmenschliche Kommunikation auf einem Raster der Individual-, Organisations- und Gesellschaftsebene untersucht. Soziale Quantenphysik wird verwendet, um in einer bestimmten Art von Netzwerken, den ‘Collaborative Innovation Networks‘ («COINs»), zu kommunizieren. Das hierfür entscheidende kollektive Bewusstsein besteht aus zwei miteinander verknüpften Komponenten: Zum einen ermöglichen ‘Empathy‘ und ‘Entanglement‘ ein genaues Erraten der Gedanken anderer Personen und ein Antizipieren derer Handlungen. Im Falle von Donald Trump bedeutet dies beispielsweise, dass er exakt wusste, wie die Wähler und Medien auf seine provokativen Tweets reagieren werden. Zum anderen ist ein Zyklus von ‘Reflect‘ und ‘Reboot‘ entscheidend, der beispielsweise bei Steve Jobs in besonderer Ausprägung zu bewundern war. Sind sich Innovatoren bewusst, wie sie kommunizieren, haben sie die Chance, sich stets zu verändern und neu zu erfinden.
Prof. Dr. Gloor erklärt anschliessend auf höchst spannende Weise, wie er in seiner Forschungstätigkeit versucht, die Kommunikation innerhalb des Schwarms zu lesen. Auf der ‘Individuellen Ebene‘ geschah dies früher mittel ‘Sociometric Badges‘, die messen können, ob eine Person offen und extrovertiert ist, wie gewissenhaft sie arbeitet, und auch beispielsweise wie kooperativ oder neurotisch sie ist (‘Big-Five-Persönlichkeitstest‘). Die Anwendung dieses Konzeptes bei professionellen Jazz-Musikern zeigte, dass die Zuhörer umso zufriedener waren, je grösser der ‘Group-Flow‘ der Musiker war. Anstelle ‘Sociometric Badges‘ werden heute ‘Smartwatches‘ verwendet. Dadurch kann beispielsweise gemessen werden, wie hoch die Zufriedenheit beim Zusammensein mit verschiedensten Personen an verschiedensten Orten ist. Die Ausweitung auf den gesamten Freundeskreis ermöglicht die Messung der Zufriedenheit einer gesamten Gruppe, die anschliessend verbessert werden kann.
Auf der ‘Organisationsebene‘ wird die Kommunikation mittels Analyse von E-Mails untersucht. Prof. Dr. Gloor erläutert hierzu das Beispiel einer indischen Outsourcing-Firma, bei der gemessen wurde wie zufrieden die Mitarbeiter waren, wie schnell sie sich gegenseitig antworteten und wie zentral orientiert die Führungsorganisation war. Die Zufriedenheit der Kunden war hierbei höher, wenn die Resultate der Analyse den Mitarbeitern gezeigt wurden. Bei einer weiteren Analyse konnte Prof. Dr. Gloor feststellen, dass Verkäufer durch direkten Videokontakt mit ihren Kunden deutlich erfolgreicher waren.
Die Analyse der Kommunikation auf der ‘Gesellschaftlichen Ebene‘ benutzt Prof. Dr. Gloor, um die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zu ergründen. Dessen soziales Netz (kombiniert aus Twitter, Facebook und Wikipedia) weist ihn am Wahltag interessanterweise als ‘Nobody‘ aus, abseits des Clusters ehemaliger Präsidenten. Entscheidend für seinen Sieg war jedoch, dass Donald Trump ein genialer Manipulator war, der mittels Tweets von ‘Fake-News‘ eine entscheidende Gruppe dazu bewegen konnte, diese News schlagartig zu verbreiten und dadurch eine Dynamik auszulösen. Die automatische Extrahierung der Wörter aus den Twitter-Profilen dieser ‘versteckten Beeinflusser-Gruppe‘ zeigte: Die Gruppe charakterisiert sich selbst als Trump-Fanatiker, ihre Mitglieder sind christlich, glauben an Gott und beschreiben sich weiter als Mutter, Hausfrau oder Ehemann.
Das Konzept der COINs bildet den Kern jeglicher solcher Phänomene und funktioniert gleichermassen für positive als auch negative Innovationen – unabhängig davon, ob die Innovation Apple und der Innovator Steve Jobs heisst, ob es sich um die Erfindung des World Wide Webs durch Tim Berners-Lee handelt oder eben doch um die innovative Verbreitung von ‘Fake-News‘ via Twitter durch Donald Trump. Zu Beginn steht ein Innovator, der eine kleine Gruppe rekrutiert, die an seine ‘wilde Idee‘ glaubt. Die Leute arbeiten zusammen und machen aus der Idee einen Prototyp. Sie rekrutieren ihre Freunde (z.B. ein paar Hundert), die das Ganze austesten und anschliessend ihren Freunden (z.B. ein paar Tausend) erzählen wie grossartig das Projekt sei, wodurch eine unglaublich schnelle Verbreitung der Popularität erreicht wird. Die Innovatoren agieren dabei als ‘Bienenkönigin‘ innerhalb des Schwarms und strahlen sechs durch Prof. Dr. Gloor beschriebene, entscheidende Signale aus (‘Honest Signals‘), um COINs erfolgreich kreieren zu können:
1) Es braucht starke Leader.
2) Gleichzeitig sollen in einem kreativen Team jedoch alle ungefähr gleichviel beitragen können.
3) Die involvierten Personen sollten sich gegenseitig abwechseln bezüglich Leadership.
4) Schnelle Antworten zeigen Leidenschaft und Respekt.
5) Die Sprache sollte ehrlich sein.
6) Ein Wortgebrauch sollte definiert werden, der von allem anderen abweicht.
Die Messung dieser Signale und entsprechende Anpassung und Verbesserung führt, erklärt Prof. Dr. Gloor weiter, zur Gestaltung der Ethik innerhalb der COIN. Idealerweise ist das Team dabei in Form einer ‘Competitive Collaboration‘ analog zu den Bienen oder einer Jazz-Band organisiert. Innerhalb des Teams besteht zu einem gewissen Grad eine Konkurrenz, gleichzeitig unterstützen sich jedoch alle zur Erreichung des gemeinsamen Zieles. Dies steht im Gegensatz zur ‘Collaborative Competition‘, die beispielsweise bei Ameisen oder Fussball-Clubs vorzufinden ist.
Verfasser: Patrick Schnell und Marco Hürzeler (23.01.2017, RealWWZ)