BAZ: Die Versicherungswelt ist im Wandel. Solidarität ist eigentlich der Grundgedanke der Versicherung, doch die Produkte werden immer individueller. Beispielsweise gibt es Autoversicherungen, die ans individuelle Fahrverhalten geknüpft sind. Hat das Solidaritätsprinzip bald ausgedient?
Es gibt verschiedene Tendenzen. Mit dem Fahrtenschreiber im Auto oder mit Fitnessarmbändern können die Kunden dem Versicherer beweisen, wie sicher sie Auto fahren oder wie gesund sie leben. Damit versuchen sie sich eine bessere Prämie auszuhandeln. Die Kunden sind heute nicht mehr bereit, für andere, die weniger risikobewusst sind, Prämien mitzubezahlen. Es droht eine Entsolidarisierung.
BAZ: Und wo sehen Sie den Gegentrend?
Auf der anderen Seite gibt es starke Tendenzen zur Sharing Economy, also zum Teilen. Heute werden Autos, Wohnungen und Haushaltsgeräte geteilt. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Airbnb. Das stellt einen klaren Gegentrend zur Individualisierung dar. Mit der Sharing Economy kommt ein spannendes Thema auf uns zu. Die Kunden möchten nur noch einen unmittelbaren Versicherungsschutz, sie wollen nur noch dann für eine Motorhaftpflicht bezahlen, wenn sie tatsächlich Auto fahren. Die Versicherer müssen kurzfristigere Produkte anbieten, etwa eine Motorhaftpflicht für bloss einen Tag.
Verfasser: Christoph Hirter (Basler Zeitung 15.05.2017)
Urs Berger spricht auf Einladung der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft zum Thema “Kämpfen die Versicherer in der heutigen Zeit der Entsolidarisierung auf verlorenem Posten?“ Montag, 15.05.2017, 18.15 Uhr, Aula der Universität Basel, Petersplatz