Nach einer kurzen Begrüssung und Vorstellung durch SVG Präsident Edouard Viollier steigt der Referent des Abends, Dr. Jörg Reinhardt, Verwaltungsratspräsident der Novartis AG, ans Rednerpult der bis auf den letzten Platz belegten Aula des Kollegienhauses und beginnt seinen Vortrag zum Thema „Veränderungsmanagement als Führungsaufgabe“.
Was für eine bekannte Persönlichkeit Dr. Reinhardt hier in Basel ist, zeigt sich an dem enormen Andrang an Zuschauern, so dass sogar eine Live-Übertragung in einen zusätzlichen Hörsaal eingerichtet werden musste. Gleich zu Beginn versichert Dr. Reinhardt, dass es für ihn eine Ehre und ein Heimspiel sei, in Basel, dem Hauptsitz der Novartis, einen Vortrag zu halten. Seine ruhige und klare Erzählerstimme mit einem sanften saarländischen Unterton macht es den gespannten Zuhörern sehr angenehm, seinem Referat zu folgen.
Dem Verwaltungsratspräsident gelingt es sehr gut, die komplexen Abläufe und Prozesse in der Führungsetage der Novartis für das Publikum verständlich aufzuzeigen und diesem Einblicke in den aktuellen Transformationsprozess des Konzerns zu gewähren. Novartis befinde sich in der wichtigsten Umstrukturierungsphase seit der Fusion von 1996. Für Unternehmen sei es unerlässlich, dass sie sich immer wieder neu erfinden und ihre Strategien intelligent und weitsichtig an ihre Umgebung anpassen. Wie wichtig die stetige Anpassung eines Unternehmens an sein sich durch technologischen Fortschritt wandelndes Umfeld ist, erklärt Reinhardt an ein paar kurzen, pragmatischen Beispielen: So haben es die Mobiltelefongiganten Nokia und Blackberry im letzten Jahrzehnt verpasst, auf den neuen Trend der Smartphones aufzuspringen und ihre Leitstrategien entsprechen anzupassen, was die Konzerne schliesslich ihre Vormachtstellung und Unabhängigkeit kostete. Auch der Kamerahersteller Kodak, welcher bereits in den 70er-Jahren Prototypen von Digitalkameras entwickelt hatte, unterschätzte diesen neuen Trend, welcher das Fotografieren revolutionierte. Dr. Reinhardt mahnt, dass es im Nachhinein immer leicht sei, über solche Fehlinvestitionen zu spotten, diese uns vielmehr lehren sollten, dass Strategieanpassungen von Unternehmen dynamische Prozesse sind, welche sorgfältiges und weitsichtiges Management in der Führungsetage voraussetzen.
Reinhardt nennt drei Elemente des Veränderungsmanagements, die dabei besonders wichtig sind: Erstens muss sich das Management ständig sowohl mit dem internen als auch dem externen Umfeld der Firma beschäftigen und erkennen, wo Anpassungsbedarf besteht. Zweitens braucht es in einer Firma eine flexible Organisationsstruktur, welche diesen Wandel und die Anpassungen auch zulässt. Es darf nicht zu einem dogmatischen Festhalten an einmal gefällten Entscheiden kommen, welche von nun an unumstossbar sind. Drittens müssen die Veränderungen sorgfältig umgesetzt werden. Gerade weil die Angst vor Veränderungen Teil der menschlichen DNA ist, benötigt die Umstrukturierung gute Führung und Organisation durch das Management. Wichtig dabei ist, dass die Umstrukturierung kein striktes Diktat von oben ist, sondern dass auch die Mitarbeiter in die Gestaltung des Wandlungsprozesses miteinbezogen werden.
Die Ziele sollten dabei klar top-down von der Unternehmensleitung vorgegeben sein, jedoch bei der Umsetzung und im Anpassungsprozess muss auch eine gewisse bottom-up-Struktur einfliessen. Novartis steht seit Jahren in einem permanenten Veränderungsprozess, die Fusion von Ciba und Geigy nennt Reinhardt leicht stolz ein gelungenes Beispiel für eine geglückte Reaktion auf ein sich veränderndes Umfeld, bei dem er persönlich sehr viele Erfahrungen sammeln konnte. Heute sei aufgrund der Krise und der allgemeinen unsicheren Lage ein klarer Wandel von reiner Wachstumsorientierung auf mehr Sicherheit und Stabilität gefordert. Novartis fokussiert sich entsprechend neu, um auch in Zukunft die führende Marktposition in all ihren Tätigkeitsbereichen halten zu können. Man werde sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen und die neuen Transformationen nicht als Gefahr sondern als Chance für eine weiterhin erfolgreiche internationale Unternehmung sehen.
Jörg Reinhardt beweist mit seinem routinierten, souveränen Auftreten, dass er der Aufgabe eines Verwaltungsratspräsidenten, als Vermittler zwischen der Führungsetage und den Aktionären sowie der Öffentlichkeit, gerecht wird. So gelingt es ihm in weniger als einer halben Stunde, seinem Publikum interessante Einblicke in den aktuellen Transformationsprozess des weltweit grössten Pharmaunternehmens zu gewähren. Auch in der anschliessenden Fragerunde beantwortet Reinhardt sachlich und kompetent die Fragen seines Publikums. Von Ebola, über den Standort Basel bis zu Fusionsspekulationen mit Roche, geht er souverän und respektvoll auf die Fragen seiner Zuhörer ein und rundet somit seinen sehr aufschlussreichen Vortrag gebührend ab.
Verfasser: Nathanael Berger (RealWWZ, 04.11.2014)